‚Besondere Zentren‘ für ‚renitente‘ Menschen

Der Bund plant zwei sogenannte ‚besondere Zentren‘, um geflüchtete Menschen, die sich gegen die herrschenden Strukturen wehren, zu isolieren.

Um diese Menschen, die zum Beispiel die Hausordnung missachten, sich Anweisungen widersetzen oder den Betrieb stören, noch intensiver zu prekarisieren und von anderen Menschen abzusondern, erschafft der Bund die Kategorie ‚renitent‘. Die ‚besonderen Zentren‘ sind konzipiert, um sogenannt ‚renitente‘ Menschen zu bestrafen, ohne dass diese eine Straftat im eigentlichen Sinne begangen
haben.

Dadurch wird eine Art Lager innerhalb der Lager geschaffen, um der Verbreitung von Widerstand entgegenzuwirken und mögliche aufständische Situationen im Keim zu ersticken. Durch die möglichen Sanktionen wird eine Drohkulisse aufgebaut, welche die Menschen einschüchtern und zum Schweigen bringen und somit die Ruhe und Ordnung in den Lagern erhalten soll.

Willkürliche Straf- und Drohkulisse
Dem Lagerpersonal werden klare Macht- und Bestrafungsinstrumente bereitgestellt. Schon bei kleineren Verstössen gegen die strikte Ordnung im Lager können willkürlich Sanktionen ausgesprochen werden, was eine disziplinierende und eine abschreckende Wirkung auch auf andere Insass*innen haben soll. Die Kriterien sind sehr offen und schwammig formuliert. Sich einmalig einer Verhaltensanweisung des Personals zu widersetzen reicht aus, um in ein ‚besonderes Lager‘ abgesondert zu werden.

Weitere Einschränkungen
Der zuständige Kanton ist verpflichtet, den Betroffenen in den ‚besonderen Zentren‘ eine Ein- oder Ausgrenzung zu verordnen. Das heisst, ihnen beispielsweise das Verlassen des Geländes oder das Betreten des Dorfes zu verbieten. In ‚besonderen Zentren‘ sollen nur Sachleistungen aber keine
Barauszahlungen abgegeben werden, meinte Sommaruga 2012 vor dem Nationalrat. Die Kombination dieser Massnahmen zeigt ein durchdachtes System um Menschen sozial zu isolieren auf. Auch wenn sie nicht direkt, wie in Ausschaffungshaft, eingemauert sind, bestehen haftartige Zustände. Den Menschen wird durch Ausgangssperre, Eingrenzung und mangels Geld die Möglichkeit entzogen, soziale Kontakte zu pflegen, sich zu organisieren, Hilfe zu suchen oder traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.

Geographische Lage
Auch die geographische Lage solcher Lager zeigt wie gezielt die Isolation durchgesetzt wird. Der Bund hat eine Liegenschaft etwa fünf Kilometer ausserhalb von Les Verriers NE gekauft. Les Verriers liegt enorm abgelegen direkt an der französischen Grenze im hinteren Val de Travers. Die nächste grössere Ortschaft Neuenburg liegt eine Stunde Fussmarsch bis zum nächsten Bahnhof und danach über eine Stunde Bus- und Zugfahrt entfernt. Ohne Geld kann sich jedoch niemand das Retourticket für 16.40 Fr leisten.

Bisher ist erst das Lager für die Westschweiz festgelegt. Der Standort
für die Deutschschweiz ist noch nicht öffentlich bekannt.

Beschwerdemöglichkeit gegen Freiheitsentzug
Theoretisch besteht die Möglichkeit gegen eine Einweisung in ein ‚besonderes Zentrum‘ Beschwerde einzureichen. Durch die soziale Isolation wird dies jedoch praktisch verunmöglicht. Beschwerden hätten grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung, in diesem Falle erhält das SEM
aber das Sonderrecht, die aufschiebende Wirkung entziehen zu können.

Das SEM hat noch nicht kommuniziert, wie genau die ‚besonderen Zentren‘ geregelt werden sollen. Momentan wird noch diskutiert wie restriktiv die Massnahmen in einem solchen Zentrum gehandhabt werden können, um noch als Freiheitsbeschränkung und nicht als Freiheitsentzug gewertet zu werden.

Möglicherweise werden die Behörden das Gebiet um das Dorf Les Verriers in eine Eingrenzung miteinschliessen um einer Klage wegen Freiheitsentzug zuvor zu kommen. Gegen Freiheitsentzug könnte vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt werden. Gegen Freiheitsbeschränkung kann nur vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt werden.

Die Kantone können aber auch juristische Entscheide umgehen, indem sie die Klagenden kurz vor einem Entscheid in ein anderes Lager verlegen und so das Rechtsschutzinteresse (also der Grund zur Klage) wegfällt. So umgeht beispielsweise der Kanton Bern gekonnt Beschwerden von Menschen in Ausschaffungshaft, die im Regionalgefängnis Stadt Bern unter Untersuchungshaftbedingungen eingesperrt werden.