Vom Lager zum Flughafen

Was sind Ausschaffungslager?
Mit der Neustrukturierung des Asylverfahrens soll der Staat effizienter ausschaffen können. Die sogenannten Bundesasylzentren ohne Verfahrensfunktion (mit Warte- und Ausreisefunktion) – auch ‚Ausreisezentren‘ genannt – dienen der räumlichen Konzentration der Menschen, die ausgeschafft werden sollen. Für die Vorbereitung einer Ausschaffung sind maximal 100 Tage vorgesehen. Bereits während der Beschwerdephase, die noch zum Asylverfahren gehört, werden Personen in die Ausschaffungslager gebracht. Durch die Verlegung in andere Lager wird es für die betroffenen Personen erschwert oder verunmöglicht, unabhängige rechtliche Unterstützung zu finden. Eine weitere Strategie des Staatssekretariats für Migration (SEM), um die Zahl der Beschwerden gering zu halten.

Pro Region wird es ein bis drei Ausschaffungslager geben. Bis jetzt stehen die Standorte Embrach, Rümlang, Kreuzlingen, Flumenthal, Kappelen, Prêles, Giffers, Vallorbe und Grand-Saconnex fest.

Wie wird die Ausschaffungspraxis mit den Ausschaffungslager aussehen?
Die Ausschaffungslager sind erst im Entstehen und es ist unklar, welche Funktion sie in der Ausschaffungsmaschinerie genau einnehmen werden. Erfahrungsberichte aus dem Testbetrieb Juchhof zeigen auf, wie die Ausschaffungspraxis in den künftigen Bundeslagern vermutlich aussehen wird. Personen berichten, dass sie im Juchhof ohne Vorwarnung mitten in der Nacht geweckt und in Handschellen gefesselt in den Knast gebracht wurden, um von dort aus ausgeschafft zu werden. Dieses Verfahren ist bewusst gewählt, da so der Widerstand seitens der Betroffenen wie auch von solidarischen Menschen erschwert wird. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit einer Flucht vor der Durchführung der Ausschaffung gesenkt. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die Menschen, die sich weigern, die ‚Ausreisefrist‘ einzuhalten, oder die sich anderweitig widersetzen, aus den Ausschaffungslagern in Ausschaffungsknäste gesteckt werden.

Zwangsmassnahmen: Ausschaffungen und Knast
Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, erhalten eine sogenannte Ausreisefrist. Während dieser Zeit werden sie vom Staat gezwungen, die Schweiz ‚freiwillig‘ zu verlassen.
Wenn die Frist der ‚freiwilligen Ausreise‘ abgelaufen ist, versucht der Staat, Menschen durch Einleiten von Zwangsmassnahmen auszuschaffen. Viele Personen werden deswegen bis zu eineinhalb Jahre in den Knast gesteckt und müssen dort auf ihre Ausschaffung warten. Es gibt dabei drei verschiedene Haftformen: Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft. Die Einknastung dient dem Ziel, die Durchführung einer späteren Ausschaffung sicherzustellen und Druck aufzubauen. Die betroffenen Personen erfahren den Zeitpunkt der Ausschaffung oft nicht und werden mitten in der Nacht geweckt, gefesselt zum Flughafen transportiert und ausgeschafft. Wer sich wehrt, erhält oftmals unter Zwang Beruhigungsmedikamente.

Ausschaffungen: Wer profitiert davon?
Viele verschiedene Akteur*innen sind
Teil der Ausschaffungsmaschinerie, doch niemand will in der Öffentlichkeit zu diesem menschenverachtenden Geschäft stehen und Verantwortung dafür übernehmen. Transportunternehmen wie beispielsweise Air France, Securitas und die SBB, die Gefangenentransporte durchführen, oder die Oseara AG, die medizinische Gutachten erstellt, machen im Auftrag der Behörden unheimliche Profite mit dem Ausschaffen von Menschen.

Rückkehrhilfe‘: Ausschaffungen mit humanitärem Deckmantel
In den Ausschaffungslagern sowie in anderen Bundeslagern haben bisher die Rückkehrberatungsstelle des Kantons Zürichs und die International Organisation for Migration (IOM) den Auftrag für die sogenannte ‚Rückkehrberatung und -hilfe‘ erhalten. Dabei werden sie vom SEM finanziert. Der Staat hat ein grosses Interesse daran, dass möglichst viele abgelehnte Personen ‚freiwillig‘ ausreisen. So werden die Betroffenen – je nachdem wie früh sie dem Druck, ‚auszureisen‘, nachgeben – für ihre ‚freiwillige Rückkehr‘ mit bis zu 2‘000 CHF bezahlt. Für das SEM eine kostengünstige Alternative zu Zwangsausschaffungen.

Diese gern betonte Freiwilligkeit‘ ist angesichts des Drucks, der auf die Betroffenen mit der Androhung einer Zwangsausschaffung ausgeübt wird, ein Hohn. Die NGOs und andere Institutionen, die Aufträge des SEM ausführen, sind nichts als der verlängerte Arm des Staates. In diesem Fall ist ihre Aufgabe die kostengünstige Abschiebung von Menschen. Das SEM profitiert zudem vom humanitären Ruf von NGOs wie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), der IOM, der Caritas oder der Kirchlichen Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen (KKF), welche im bisherigen System die ‚Rückkehrhilfe‘ durchführen. Sie erhalten und reproduzieren das Bild einer ‚menschenwürdigen Migrationspolitik‘. Doch diese NGOs setzen sich weder mit den grundlegenden Problemen des Migrationsregimes auseinander, noch tragen sie in irgendeiner Form dazu bei, dass sich die Situation für die Betroffenen verbessert. Im Gegenteil: Sie tragen Verantwortung für die Abschiebepraxis der Schweiz und sind Akteur*innen des Migrationsregimes.


Auszug aus der WoZ vom 23. Juni 2016
In der Abflughalle weigern sich zwei Männer, einer von ihnen ebenfalls aus Afghanistan, das Flugzeug zu betreten. Mohammad K. sieht, wie die PolizistInnen sie auf den Boden legen und an Füssen, Oberschenkeln, Händen und Oberarmen fesseln. Wie sie ihnen einen Helm und ein Spucknetz über den Kopf ziehen und sie in das Flugzeug tragen: «Wie ein Paket», erinnert sich Mohammad K. Er hat Angst und steigt ohne Widerstand ein. Die beiden gefesselten Männer im Flugzeug schreien und weinen laut. Der eine sitzt zu Mohammads rechter Seite, zwischen ihnen der Mittelgang. Mohammad sieht, wie die Polizei den Arzt ruft, wie dieser dem Weinenden eine Spritze in den Hals verabreicht. Minuten später ist der Mann ruhig.