Der Alltag im Bundeslager

Bundeslager sind Orte der Fremdbestimmung und Entmächtigung. Der triste Alltag in einem Bundeslager ist ein Wechselspiel zwischen einer strikten Hausordnung und gähnender Langeweile. Die klaren Regeln und Einschränkungen machen es schwierig, soziale Kontakte zu pflegen oder sich mit Menschen ausserhalb des Lagers zusammen zu schliessen. Ausgangssperren, mangelhafte medizinsche Versorgung, Verbote und Demütigungen sind Teil der alltäglichen Schikanen durch die Behörden und die Lagerleitung. In den Testbetrieben und den geplanten neuen Bundeslagern sind bisher die Asyl-Organisation Zürich (AOZ) und die ORS Service AG (ORS) zuständig für die Lagerleitung.

Ausgangszeiten, Kontrollen und Verbote
In der Regel gelten im Lager 16 Stunden Ausgangsperre pro Tag. Das Lager darf laut Hausordnung des Staatssekretariats für Migration (SEM) nur mit Ausgehbewilligung zwischen 09:00 und 17:00 verlassen werden. Alle Personen, die das Gebäude verlassen oder betreten, werden von einem Überwachungsdienst, wie beispielsweise der Securitas AG oder der Sicherheit Intervention Prävention‘ (SIP), durchsucht. Für alle Sachen, die Insass*innen ins Zentrum mitnehmen wollen, müssen sie Quittungen vorweisen können. Die meisten Esswaren sowie Musik- ,Ton- und Videogeräte sind verboten. In den Lagern darf zudem nicht gekocht werden. Das Essen wird geliefert und nur zu bestimmten Zeiten abgegeben. Eine weitere Art, Menschen zu entmündigen.

Arbeitszwang und Beschäftigungsprogramme
Die Bewohnner*innen sind verpflichtet ohne Entlöhung Hausarbeiten innerhalb des Lagers zu erledigen. So können sich die Betreiber*innen Kosten bei Reinigung und Unterhalt sparen. Die einzige realistische Möglichkeit, legal Geld zu verdienen, besteht in der Teilnahme an sogenannten ‚Arbeitsintegrationsprogrammen‘. Oftmals organisieren die gleichen Organisationen und Firmen, welche die Lager leiten, gleichzeitig die Beschäftigungsprogramme. So profitieren die ORS und die AOZ gleich doppelt an der Verwaltung der betroffenen Menschen. Private Firmen sowie Gemeinden profitieren ihrerseits von Billigstarbeitskräften – die Arbeit wird minimal oder gar nicht entlöhnt. Ein Beispiel sind die Putzarbeiten bei SBB, Bernmobil, VBZ und weiteren öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese Form von Arbeitsrekrutierung ist höchst zwanghaft, ausbeutend und demütigend.

Beim Eintritt in ein Bundeslager sind gemäss der Hausordnung alle gezwungen, ihre gesamten Ersparnisse zu hinterlegen. In Kombination mit den sehr geringen Geldabgaben (3 Fr. pro Tag) führt dies zu einer sehr prekären Situation für die Betroffenen.

Medizinische Versorgung
Bewohner*innen eines Bundeslagers haben keinen freien Zugang zu medizischer Versorgung und Ärzt*innen. Bei Beschwerden müssen sie sich beim internen Pflegepersonal melden, die dann anstelle der betroffenen Person entscheiden, ob ein*e Ärzt*in konsultiert werden darf. Der operative Leiter von ORS (Adrian Arbogast) unterstreicht in einem Interview im März 2018 gleich selbst, dass die ärztliche Versorgung möglichst knapp ausfallen soll: «Wir wollen vermeiden, dass das regionale Gesundheitssystem zusätzlich belastet wird».

Keinesfalls ‚offene Zentren‘
Der klar strukturierte und geregelte Lageralltag zeigt, dass das SEM sowie die Betreiber*innen klar die Politik verfolgen, Menschen möglichst effizient zu verwalten und zu kontrollieren. Dabei ist es Ziel des SEM, die Ausgaben tief zu halten. Die Betreiber*innen hingegen versuchen, so viel Gewinn wie möglich zu erwirtschaften. Die vielen Regeln und die strikten ‚Ausgeh‘-Zeiten verdeutlichen, dass es sich bei den neuen Bundeslagern keinesfalls um – wiBericht eines Menschen der im Zieglerspital untergebracht war (2016)e vom SEM propagiert – ‚offene Zentren‘, sondern um halbgeschlossene Lager handelt. Es fehlen nur wenige Verschärfungen, um aus den Bundeslagern geschlosse Zentren zu machen.


Bericht eines Menschen der im Zieglerspital untergebracht war (2016):
„In einem Zimmer sind zirka zehn Menschen in Doppelbetten, das Zimmer hat eine normale Krankenhauszimmer-Grösse. Die Fenster können nicht geöffnet werden, sie haben uns gesagt, das geht nicht.

Wir haben keine Möglichkeit selber zu kochen, es gibt „Schweizer Essen“. Wir haben keine Beschäftigung, es gibt keine Deutschkurse.

Am Morgen werden wir um 7 Uhr geweckt, dann gibt es Frühstück. Spätestens um 20 Uhr müssen wir im Zentrum sein. Wer später kommt, muss draussen schlafen. Um 22 Uhr ist Nachtruhe, wir haben dann quasi „Schalf-Pflicht“.

Das Handy muss abegegeben werden, wenn man das erste Mal im Lager ankommt. Dies bleibt dann beim Zentrum bis der Entscheid kommt ob man gehen muss oder bleiben kann (Anmerkung: Dies wurde mittlerweile geändert, die Menschen dürfen ihr Handy behalten). Internet gibt es nicht.

Es kommen viele Busse mit Menschen hier an, viele Menschen gehen aber gleich wieder weiter, wenn sie dieses Camp sehen. Ich denke viele gehen nach Deutschland.“

Bericht eines Menschen der seit über 15 Jahren in den Lagerstrukturen der Schweiz lebt:
„Es gibt verschiedene Firmen, die Zentren betreuuen. ORS ist direkt, hart. Das heisst, wenn du da bist im Zenzum: Machst du einmal einen Fehler, bist du draussen. Es gibt keine Verwahrnung. Kein Pardon.“